v1.0
Mit jedem Tag 1961 wird die Mauer höher, perfekter, unüberwindbarer.
Viele entscheiden sich dennoch zur Flucht, suchen letzte Schlupflöcher.
In der Bernauer Straße spielen sich in den Tagen nach dem Mauerbau dramatische Szenen ab.
Die Häuser liegen im Osten, der Gehweg davor im Westen.
Hier wohnt auch die Familie der damals 16-jährigen Elke Rosin.
Erst haben wir gedacht, vielleicht ist das nur vorübergehend.
Ulbricht hatte ja versprochen keine Mauer zu bauen.
Aber so nach ein paar Tagen hatten wir ja gemerkt, was so alles sich in der Bernauer Straße abspielt, in unserer Nachbarschaft.
Dass Menschen sogar aus Fenstern gesprungen waren und sich an Tüchern abgeseilt hatten.
Das wurde ja immer dramatischer.
Die Bilder von den Flüchtenden aus der Bernauer Straße und dem Grenzer und seinem Sprung in die Freiheit, gehen um die Welt.
Vier Tage nach dem Mauerbau beschließt auch die Familie von Elke Rosin zu fliehen.
Noch ist die Haustür nach Westen nicht zugemauert.
Sie wagen den Schritt – selbst der Wellensittich im Käfig kommt mit.
Der Vater aber bleibt in der Wohnung und wirft Habseligkeiten aus dem Fenster.
Ein Wettlauf mit der Zeit, zufällig festgehalten von einem Kameramann.
Nachbarn aus den Ost-Berliner Häusern, die das beobachteten, hatten uns dann schon zugerufen und dann speziell meinen Vater gemeint
er soll doch die Wohnung mal so schnell wie möglich verlassen, denn die Grenzpolizei kam dann schon von hinten in die Häuser rein.
Hinterher hatte ich schon regelrechte Albträume gehabt.
Ich hatte immer geträumt, mein Vater wurde geschnappt, und der war dann im Zuchthaus und wir schon im Westen.
Das waren immer dramatische Szenen, die einen noch jahrelang verfolgten.
Erst in letzter Minute floh auch der Vater in den Westen.
Am nächsten Tag sind Fenster und Türen zugemauert.
Neun Tage nach dem Mauerbau, das erste Todesopfer.
Ida Siekmann verletzte sich beim Sprung aus dem 3. Stock ihres Hauses in der Bernauer Straße so schwer,
dass sie noch auf dem Weg ins Krankenhaus starb.