v1.0
Die Bornholmer Straße 1961 an der Bösebrücke, wo sich 28 Jahre später die Grenze zu erst öffnen sollte.
Anfang August 61 ist die Brücke noch passierbar.
Hier eine Privataufnahme von der Ostseite von Prenzlauer Berg.
Doort wohnt der Vater von Hans-Joachim Weß.
Die Eltern sind geschieden.
Hans-Joachim wächst bei der Oma im Wedding auf, geht aber vor der Grenzschließung fast täglich zum Vater in den Osten über die Brücke.
Bis die Volkspolizisten ihn eines Tages anhalten.
Dann wurde ich hier in etwa auf dieser Höhe gestoppt mit dem Hinweis:
„Komm mal her, Junge. Komm mal hier ein bisschen beiseite. Wir gehen mal hier rüber“.
Der Elfjährige soll den VoPos Zigaretten vom Westkiosk ganz in Grenznähe holen.
Hier Amateuraufnahmen der Bude.
Nein, hab ich gesagt. Mach ich nicht
Ja was willst du denn dann, meinte der eine Grenzer.
Ja, eine Tafel Schokolade. Eine Tafel muss rausspringen, wenn ich das für euch mache.
Weß bekommt sein Geld für Schokolade.
Das Geschäft floriert.
er clevere Junge vom Wedding beschließt, seinen Handel auf die nächste Brücke an der Behmstraße auszuweiten.
„Warum soll man nicht noch sozusagen eine zweite Tür aufmachen, wenn es dann geht.
Und das war auch möglich.
Stichwort: Zigaretten - kamen hier entsprechend an und die Genossen wussten auch Bescheid
Doch plötzlich sind da andere Genossen, die nicht mit sich reden lassen.
Das endete alles mit dem 13. August.
Ulbricht hat ja nicht nur die Grenzenzugemacht, sondern auch meine Geschäftsgrundlage zerstört.
Das war natürlich für ein Kind von elf Jahren, was gewöhnt war `gut im Futter’ zu sein, eben dadurch, eine Katastrophe.
Als Katastrophe empfindet der Junge auch die Teilung seiner Stadt, mittendurch seinen Kiez, der Bernauer Straße.
Das ist also für mich und die West-Berliner damals eigentlich der schrecklichste und brutalste Teil dieser Grenze gewesen.
Weil die Grenzziehung ja praktisch durch die Wohnzimmer der Leute ging - im übertragenen Sinne.
In den Wohnungen befanden sich ja zum Teil noch Menschen, die logischerweise versucht haben,
den kürzesten Weg in die - wie man damals sagte - Freiheit zu nehmen, indem sie versuchten, durch die Hauseingänge zu kommen.
Das war nicht mehr möglich, hier war schon alles zugebaut, zugesperrt und verrammelt.
Dann hat man versucht aus den Fenstern zu springen.
Eine Szene kann ich schildern, die, sicherlich auch weil die Abendschau dabei war, um die Welt gegangen ist.
Und Weß ist damals Augenzeuge.
Bernauer Straße 29. Eine 77-Jährige Rentnerin versucht aus dem ersten Stock zu springen.
Die Feuerwehr hat das Sprungtuch gespannt.
Der Greisin wird schwindelig.
Zwei West-Berliner versuchen ihr zu helfen.
DDer eine stürzt ab in das Sprungtuch der Feuerwehr, der andere kann nur den Schuh der Frau fassen.
IInzwischen sind ein VoPo und ein SED-Helfer in die Wohnung der Frau eingedrungen und versuchen, sie mit Gewalt zurückzuziehen.
Gerettet!
Die Dramatik und die Abscheulichkeit dieser Art von Mauer, dieser Art von Grenzziehung oder Grenzverdichtung,
ist durch diese Szene eigentlich unübertroffen dargestellt worden.
Und doch, so Hans-Joachim Weß, können solche Bilder nicht wirklich wiedergeben,
was die Betroffenen, die Augenzeugen damals erlebt und durchlitten haben.
Eiindrücke, die sich tief eingruben, und auch nach 50 Jahren nicht an Schärfe verloren haben.