v1.0
Normalerweise scheut Peter Hertel den Besuch in der Bernauer Straße.
Zu stark die Gefühle, die mit diesem Ort verbunden sind.
Vor dem Bau der Mauer ist der 23-Jährige Grenzgänger, arbeitet in West-Berlin ,lebt in Ost-Berlin bei seiner Mutter.
Nach dem 13.August kriegt er eine Stelle bei der BEWAG-OST.
Abteilung Erfindungswesen.
Das Einzige, wonach ihm der Sinn steht: wie komme ich hier weg und rüber in den Westen.
Ich war schon richtig verzweifelt.
Und dann kam mir dann doch die Idee, als ich wiedermal über das Fernsehen die Mauer bzw. Bernauer Straße gesehen habe:
Du musst versuchen in dieses Grenzhaus hineinzukommen.
Der BEWAG-Angestellte fälscht einen Auftrag, wonach er Stromzähler in zwangsgeräumten Häusern an der Bernauer Straße demontieren soll.
Sein Entschluss zur Flucht, auch ein Abschied von seiner Mutter.
Ich sagte zu meiner Mutter, ich werde heute wahrscheinlich versuchen abzuhauen.
Das hatte ich allerdings abends gesagt.
morgens als ich die Tasche aufmachte – da hat sie mir immer Stullen usw. gemacht – sehe ich, wie sie mir Handschuhe reingepackt hat.
Handschuhe für das Seil, das er bereits in seiner Aktentasche hat..
Swinemünder Ecke Bernauer findet er das geeignete Haus.
50 Jahre später, eine Brache.. in Hertels Erinnerungen wird alles wieder lebendig.
Hier war ein Seiteneingang, wo die Hausratsfrau gerade auf der untersten Stufe ihre Reinigungsarbeit machte.
Ich bin dann in den Innenhof gegangen und plötzlich sehe ich am vordersten Mietshaus einen Volksarmisten stehen.
Hertel verwickelt die Hauswartsfrau in ein lautes Gespräch.
Verspricht ihr, sich gleich, wenn er zurückkommt um ihren Stromtarif zu kümmern.
Ich habe mir ausgedacht, wenn der das da vorne hört, dann weiß er, er hat irgendetwas mit der BEWAG zu tun.
Wenn ich dann nachher mit ihm ins Gespräch komme, wird er mir hoffentlich glauben.
Das tut er auch, aber der Volksarmist verlangt nach einem Passierschein..
Mit Hilfe des fingierten Bewag-Auftrags gelingt es Hertel, den Mann zu überreden.
Er sagte dann, aber bitte seien Sie ganz leise, meine Genossen sind da oben auf dem Dachboden.
Die dürfen sie nicht sehen.
Nein sagte ich, ich werde das alles ganz leise und schnell machen.
So schafft er es schließlich ins Haus.
Die Treppenstufen knarren, die Wohnungen im 1. und 2. Stock: verriegelt, die Fenster schon zugemauert.
Im 3.Stock endlich ein offenes Fenster
Dann musste ich erstmal zu diesem Fenster hingehen und rausgucken.
Man muss sich auch vorstellen, das hier unwahrscheinlich viele Touristen waren, die auf der Bernauer Straße verteilt waren.
Als ich rausguckte, rief in dem Augenblick irgendjemand: Ach guck mal, da will Jemand abhauen.
Eine brenzlige Situation.
Jetzt kommen Peter Hertel auch noch Zweifel an der Stabilität des Fensters.
Er wickelt sein Seil zusätzlich um eine Ofentür, dann erst mehrfach um das Fensterkreuz.
Dann habe ich allen Mut zusammen genommen.
Das hat schon gedauert, da ich auch Angst hatte.
Also habe ich dieses Seil rausgeschmissen, die Handschuhe angezogen.
Dann bin ich da langsam runtergekrochen. Ganz still!
Die Stabilisierung seines Seils an der Ofentür wird ihm fast zum Verhängnis.
Es ist jetzt viel zu kurz, reicht nur bis zum 1. Stock.
Wäre da nicht eine Gaslaterne und ein GASAG-Mitarbeiter mit Leiter.
Der war geistesgegenwärtig, hat sofort die Leiter abgemacht und hat das schräg rangestellt.
Dann bin ich darunter geklettert.
Meine Knie haben so gezittert. Ich konnte die nicht festhalten.
Mir haben dann die Leute Ziggarretten zugesteckt und ein wenig Geld.
Ich bin dann zum nächsten Polizeirevier.