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Spätnachmittag des 13. August 1961: Manfred Wenzel sitzt am Teltowkanal - hinter sich Johannisthal, vor sich, am anderen Ufer, Rudow.
Da will er hin.
Der SFB hat ja rund um den Tag berichtet.
Und man konnte bedrückend mitverfolgen, wie ein Posten nach dem anderen besetzt wurde und Stacheldraht ausgerollt wurde.
Da war mir klar, hier passiert was.
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In einem Staat, der Mauern baut, sollen seine Kinder nicht aufwachsen, sagt sich der gläubige Christ.
Seit zwei Jahren ist Manfred Wenzel mit seiner Frau Ursel verheiratet.
Der Sohn ist bereits geboren, das 2. Kind unterwegs.
Ich gehe sofort, du kommst später nach, sagt er seiner Frau.
Sie zögerte nicht einen Augenblick und sagte, ja natürlich gehst du.
Es wird sich schon eine Möglichkeit finden.
Nach stundenlangem, ängstlichen Zögern, die Sonne geht bereits unter, rutscht Manfred Wenzel endlich ins Wasser.
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Und schwamm einfach los. In der linken Hand eine Aktentasche mit Dingen, wo ich meinte, die mitnehmen zu müssen.
Mit der rechten Hand schwamm ich dann.
So in etwa in der Mitte des Kanals, blieben auf der anderen West-Berliner Seite ein Ehepaar stehen und starrte punktuell ins Wasser.
In dem Augenblick fühlte ich mich richtig ertappt, beobachtet und denunziert.
Ich schrie: "Nun gehen Sie doch mal weiter und glotzen nicht so blöde!"
Die gingen dann auch weiter.
Ich schwamm weiter, kam dann auch auf der anderen Seite an, war aber so erschöpft, dass ich nicht hochkam.
Die beiden die sich vorher als Gaffer betätigt hatten, kamen dann zurück und halfen mir die Böschung hoch.
Und begleiteten mich zum Polizeiposten. Damit war ich regulärer West-Berliner.
Seine neue Heimat ist der Wedding.
Da oben, das war meine erste Bude in West-Berlin nach der Flucht 1961.
Hier in der Schillersiedlung erfährt er auch von der Geburt seines zweiten Kindes, einer Tochter.
Sehen oder in den Arm nehmen kann er sie nicht.
Die Mauer trennt Manfred Wenzel von Frau und Kindern
Und er wird getrennt bleiben - viele Monate lang.
Nach einem Jahr ergebnislosen Suchens nach einer Fluchtmöglichkeit, traf ich einen Studienkollegen,
der mich fragte, wie es mir ginge, was die Familie macht. Ich antwortete: die Familie ist im Osten.
Ob ich sie nicht holen wolle, fragte er.
Ich: Ja, wenn Du eine Möglichkeit hast, ich habe bisher nichts gefunden.
Er: Ich kenn da jemanden.
Der Bekannte gibt sich selbst als der Fluchthelfer zu erkennen.
Er ist bereit, die Familie im Auto über die Grenze zu holen.
Doch es bleibt ein Problem.
Wie übermittle ich jetzt meiner Frau, dass Jemand kommen wird, um sie zu holen.
Telefon stand uns auch damals überhaupt nicht zur Verfügung und der Postweg ging zwar, war aber auch nicht so schnell.
Ich habe sie dann versucht zu stimulieren, dass sie wach ist, hellhörig.
Hat aber nicht geklappt. Der Fluchthelfer kam und sie war nicht da.
Der Wagen hielt dann hier vor dem Haus, öffnet die Tür und der Wagen ist leer.
Dieses grauenvolle Gefühl beschleicht mich noch heute.
Manfred Wenzel ist am Boden zerstört, aber der Fluchthelfer gibt nicht auf und passiert wenige Tage später erneut den Checkpoint Charlie.
Auf dem Rückweg liegen die Kinder betäubt im Kofferraum.
und Ursel Wenzel sitzt mit gefälschtem Diplomatenpass auf dem Beifahrersitz.
Sie hatte keine Angst, sie hatte ein gesundes Ur-Vertrauen.
Es hat sie gar nicht berührt.
Sie war offenbar fest davon überzeugt, dass ich keine unsicheren Sachen anlenke, obwohl ich selbst nicht tatbeteiligt war.
Sie war sicher, dass es klappt.
Nach einem Jahr Trennung ist die Familie endlich wieder vereint.
Manfred Wenzel ist bei seiner Flucht und der seiner Familie hohe Risiken eingegegangen.
Doch das war richtig, davon ist er bis heute überzeugt.
Ich bin jedenfalls dankbar, dass wir in West-Berlin geblieben sind.
Das hat mir 30-Jahre DDR-Erfahrung erspart.
ch bin zufrieden in West-Berlin gelandet zu sein.