v1.0
Manfred Migdal ist aufgewühlt, als er erneut das ehemalige DDR Untersuchungsgefängnis in Mitte betritt.
Da war man eingesperrt - Wochen, Monate für nischts für gar nix.
Der 13. August '61-. ein verhängnisvolles Datum für den damals 19jährigen Tischler aus der Warschauer Str.
Hier ist er groß geworden, lebt damals seit Kurzem aber in West-Berlin.
Die Nacht vor dem 13. jedoch, ist er mit seinen alten Kumpels aus der Warschauer wieder unterwegs :
Wir wollten in die "Eierschale" gehen.
Wären wir in die Eierschale gegangen, dann wäre am nächsten Morgen die Grenze dicht gewesen und wir in West-Berlin gewesen.
Diesmal bleibt er auf ein Bier im Ostberliner Stammlokal ,übernachtet bei seiner Mutter.
Ich stand im Bett: Ich hör' im Radio, dass Ulbricht die Grenzen dicht gemacht hat.
So schnell war ich noch nie in meinen Klamotten.
Und bin runter auf die Straße zu meinen Kumpels.
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Migdal ist erst wenige Monate vorher bei seiner Tante im Westen untergetaucht.
Abgehauen aus einem Jugendwerkhof in Thüringen, dort sollte er zum "Sozialistischen Menschen" umerzogen werden.
Zu rebellisch, zu viel Rock'n Roll, kapitalistisch-dekadent....
Alles westlich. Wir haben hier gestanden mit einem Kofferradio und haben RIAS laut aufgedreht.
Damit das die Partei-Bonzen auch richtig hören konnten. Wir haben schon provoziert.
An der Oberbaumbrücke -der Brücke zum Westen - soll es nun nicht mehr "rübergehen "
Die jungen Leute können die Nachricht kaum fassen, wollen wissen, ob das wahr ist.
Und Manfred Migdal will dringend zurück in den Westen.
Aber schon auf der Warschauer Brücke ist Schluss:
Da sehen wir schon eine lebende Mauer von Kampftruppen, VoPos und Armee stehen.
Schulter an Schulter, Kalaschnikow vor der Brust und versperren uns den Weg.
Da hole ich meinen Ausweis raus und sage, ich bin West-Berliner, ich möchte da rüber, ich wohne da!
'Nix, hier gibt’s nichts zu holen', sagte er. Gehen Sie zur Keibelstraße, da kriegen Sie einen Passierschein.
Migdal sucht andere Wege.
Versucht es mit der S-Bahn über die Friedrichstraße -kein Durchkommen nach Westen.
Auch nicht über die Linden.
Letzte Hoffnung schließlich doch das Polizeipräsidium in der Keibelstraße.
Hier soll es den Passierschein zurück nach Westberlin geben.
Langes Warten auf den Fluren: Migdal ist nervös - der Beamte ruft ihn schließlich in sein Büro.
Sie sind kein West-Berliner oder West-Deutscher, Sie sind DDR-Bürger!
Sie sind vor einem dreiviertel Jahr abgehauen, illegal und haben die Republik verlassen.
Ich fragte, was soll das heißen? „Tja, einmal DDR-Bürger, immer DDR-Bürger.“
Es war sehr schlimm zu erkennen, dass ich da den größten Fehler meines Lebens begannen habe.
Migdal ist seinen Westberliner Ausweis los.
Er wird verhört, dann als DDR-Bürger in den Alltag entlassen
für ihn wie ein Gefängnis. Die DDR ist ihm zu eng.
Dreimal versucht er zu fliehen, dreimal wird er verurteilt: Gefängnis, Zwangsarbeitslager, Zuchthaus.
Es geht nicht um das Reisen oder um die schönen Sachen die man bekommt.
Es geht um die Freiheit. Ich würde es immer wieder tun.
Zehn Jahre nach diesem 13. August wird Manfred Migdal aus dem Zuchthaus Brandenburg in den Westen freigekauft.