v1.0
Winter 1988 in Ost-Berlin.
Während in der Sowjetunion längst das politische Tauwetter eingesetzt hat,
ist von Glasnost und Perestroika in der „Hauptstadt der DDR“ nichts zu spüren.
Wie jedes Jahr marschiert auch an diesem Januarsonntag die Partei- und Staatsführung an die Gräber der KPD-Gründer:
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.
Aber: diesmal gerät der Marsch aus dem Takt.
Bürgerrechtler wie Stephan Krawczyk wollen für mehr Freiheit demonstrieren.
Und dann hatte ich mir zwei so Segmentstäbe in die Ärmel von so einem Parka gesteckt.
und das Transparent an den Bauch und dann wollte ich halt zur Demo gehen und trat dann um acht aus dem Haus.
Ich wollte zur U-Bahn, da hatten mich zwei Männer angesprochen, die wesentlich größer waren als ich.
Und die haben mich gefragt, ob ich Stephan Krawczyk sei.
Das zu verneinen, hätte keinen Sinn gehabt.
Stephan Krawczyk drohen nun bis zu 12 Jahre Haft: Wegen Landesverrats.
Hunderte „Störer“ wie er werden inhaftiert, einige von ihnen später in den Westen abgeschoben.
So auch Vera Wollenberger, Bärbel Bohley und Wolfgang Templin.
So eine Luxemburg-Liebknecht Demonstration war ja für die Bonzen heilig, eine heilige Sache.
Und wenn ich da so hingehe mit einem Transparent, da wollen die mich am besten wegwischen wie so eine lästige Fliege.
Das hätte ich mir eigentlich vorher denken können, aber irgendwie, ich wollte handeln.
Die Staatssicherheit hat die Lage im Griff.
Polizei und Justiz arbeiten präzise zu.
Über 100 Festnahmen, Hausdurchsuchungen, Schnellverfahren.
Ermittelt wird wegen Zusammenrottung, Behinderung der Staatsorgane in Ausübung ihrer Tätigkeit, Landesverrat.
Offizielle Nachrichten gibt es fast nicht, er herrscht journalistischer Ausnahmezustand.
Zunächst herrscht Fassungslosigkeit über das harte Vorgehen der Behörden.
Dann formiert sich im Schutz der Kirche Widerstand gegen die Verhaftungen.
Tägliche Mahngottesdienste finden statt. Es ist ein Auftakt zur „Friedlichen Revolution“ von 1989.
In einer in den Westen geschmuggelten Videobotschaft fordert Krawczyks Lebensgefährtin Freya Klier seine Freilassung.
Die Verhaftung eines der bedeutendsten und sensibelsten Künstlers unseres Landes ...
... mit der unfassbaren Begründung einer Zusammenrottung, stellt für uns und für viele Menschen in der DDR ein erschütterndes Zeugnis dar,
wie kritische und unbequeme Künstler kriminalisiert und damit endlich mundtot gemacht werden sollen.
Dem Schritt in die Öffentlichkeit folgt eine Woche später ihre eigene Verhaftung.
Im Gefängnis werden Freya Klier und Stephan Krawczyk zur Ausreise aus der DDR gezwungen.
Wir haben die DDR nicht freiwillig verlassen.
Wir fordern in die DDR zurück kehren zu können, um unsere Arbeit als Künstler dieses Landes fortzusetzen.
Als das dann zu Ende war, war mir jeder Boden unter den Füßen entzogen.
Und es ist wie ein Vakuum erst mal.
Stephan Krawczyk und Freya Klier leben nun in West-Berlin.