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Viele Ost-Berliner wollen weg.
In den Westen, wo „Freiheit“ vielleicht anders buchstabiert wird.
Das geht offiziell per Ausreiseantrag.
Ob und wann der bewilligt wird, weiß man nicht. Leben in der Warteschleife.
Der Schriftsteller Bernd Wagner erinnert sich an diese bedrückende Zeit.
Letztendlich hatte man dann einen Eindruck, als ob die Stadt, als ob sie fortlaufend leerer werden würde.
Als ob ihr das Leben entzogen würde, als ob sie hässlicher, als ob sie geistloser werden würde.
Und das war ein Zustand, der nicht leicht zu ertragen war.
Prenzlauer Berg. Zerfallene Altbauten. Lebensraum für Künstler und Andersdenkende.
Bernd Wagner gehört zu ihnen. Zusammen mit zwei Freunden gibt er die Untergrundzeitschrift Mikado heraus.
Es war zum Teil auch wie ein Tanz auf dem Vulkan.
Es war ja ständig irgendein Fest angesagt, weil irgendjemand gerade seine Ausreise genehmigt bekommen hat.
Auf der anderen Seite war das natürlich höchst schwerwiegend, was man machte.
Man verließ andere Menschen, man verließ seine gesamte Vergangenheit.
Nicht alle die ausreisen, werden im Westen glücklich.
Einige entschließen sich zur Rückkehr in den Osten.
Enttäuschte Erwartungen – zerrissene Biografien.
Wo ist Heimat?
Die SED-Propaganda lässt Rückkehrer vom schweren Leben im „goldenen Westen“ berichten:
Obwohl’s Deutsche sind, sind es eigentlich für uns doch Fremde, und wir brauchten nicht lange, um zu sehen, dass wir da nicht hingehören.
Das Neue Deutschland berichtet sogar von „Über 20.000 Ehemaligen“.
Aufgelistet werden Namen und Adressen von „verlorenen Landeskindern“, die angeblich nur eins wollen: zurück in die DDR.
Die genannten wissen oft nichts davon.
Um Gottes Willen. Lieber sterb ich, als dass ich wieder rüber gehe.
Die Gruppe der Rückkehrer – sie ist tatsächlich „überschaubar“.
Die meisten gehen um im Westen zu bleiben.
Auch Bernd Wagner verlässt die DDR.
Wir fuhren zu dem Tränenpalast, und der Taxifahrer machte diese Tour nicht zum ersten Mal, der hat wahrscheinlich schon viele dahin gefahren.
Und sagte zu uns, als wir ausstiegen, aber denke nicht von uns, dass wir alle Idioten sind, die hier bleiben.
Und das war für mich etwas ganz Schmerzhaftes.
Weil er eigentlich mich und uns schon im eigenen Land zu Fremden erklärt hat.
Also schon eine Mauer zwischen den Hierbleibenden und zwischen den Weg- gehenden aufgemacht hat.
Im Westen angekommen, fühlt sich Bernd Wagner zunächst fremd.
Erst als er nach Kreuzberg zieht, ändert sich das.
Kreuzberg vor allen Dingen deshalb, weil es auch so nah an der Mauer war.
Also dieses Gefühl, Hier ist die Stadt authentisch Ost-Westlich, weil viele Ostler dort hängen geblieben sind.
Weil sie sich auf eine ähnliche Weise wie früher im Prenzlauer Berg jetzt in Kreuzberg durchschlagen konnten.