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Im Herbst 1980 fürchtet das SED-Regime wieder einmal den Klassenfeind.
Nicht nur den im Westen.
Aus Angst vor der Bürgerbewegung in Polen wird der visafreie Reiseverkehr ins Nachbarland eingestellt.
Für Reisende aus dem Westen nach Ost-Berlin erhöht sich der Zwangsumtausch auf 25 DM pro Tag.
Heute früh um 9 Uhr, als die Büros für Besuch und Reiseangelegenheiten geöffnet wurden,
herrschte in der Jebensstraße am Bahnhof Zoo bereits ein starker Publikumsandrang.
Viele Berliner waren offenbar gekommen, um noch einmal vor dem Inkrafttreten der neuen DDR-Maßnahmen ihre Freunde und Verwandten zu besuchen.
„Ja, das Arbeiterparadies hat uns wieder zur Kasse gebeten.“
„Ich habe zwei alte Eltern, mein Vater ist blind, der ist 85, ich fahr fast jede Woche rüber, das wird natürlich jetzt schwer fallen.“
„Wie oft sind sie denn bisher rüber gefahren?"
„21 mal“
„In diesem Jahr allein?“ - "Ja!"
„Und was werden sie in Zukunft machen?“
„Können wir uns nicht mehr erlauben als Rentner also 25 Mark zahlen, das ist unmöglich."
Eine Woche später: leere Antragsstellen, die Besucher bleiben aus.