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Im 30. Jahr der Republik wird nicht nur gefeiert:
Der Ost- Berliner Schriftstellerverband inszeniert im Roten Rathaus zusammen mit Partei und Staatsicherheit ein Tribunal gegen neun kritische Geister.
Unter ihnen namhafte Schriftsteller wie Stefan Heym, Klaus Schlesinger und Rolf Schneider.
Von 400 Autoren stimmen 350 für den Ausschluss der Kollegen.
Das bedeutet Berufsverbot, denn nur, wer im Schriftsteller-Verband ist, kann in der DDR veröffentlichen.
Der 47jährige Rolf Schneider hat nun im Osten kein Einkommen mehr. Aber das ist nicht alles:
Man wurde geschnitten, das ist kein angenehmer Vorgang für den unmittelbar Betroffenen und noch sehr viel unangenehmer für die Familie.
Ich hatte Kinder, die damals in die Schule gegangen sind, die das ganze sozusagen auf der unteren Ebene mitbekommen haben, die regelrecht gemobbt worden sind.
Und zwar nicht von Mitschülern, sondern von den Lehrern. Das alles war böse.
Unbequeme Denker sind - auch 3 Jahre nach der Biermann-Ausbürgerung - den DDR-Mächtigen ein Gräuel – schlicht unerwünscht.
Sie können, sie sollen in den Westen gehen.
Rolf Schneider aber will nicht gehen, will in Ost-Berlin bleiben, bei seinen Freunden und Verwandten.
Wie anderen kritischen Künstlern, erteilt man ihm ein Dauervisum, er soll Geschmack am Westen finden.
Schneider kann auch nur im Westen publizieren.
Das war ein Privileg unter dem ich ein bisschen geseufzt habe, weil ich wusste, dass es etwas ist, das ich sehr beneidet wurde, was nicht jedem zur Verfügung stand.
Trotzdem konnte ich nicht finden, dass ich beneidenswert sei in meiner Situation.
Es war eine sehr merkwürdige Situation.
Es hatte auch zur Folge ein bestimmtes Gefühl der Heimatlosigkeit, weil in dem einen Deutschland war ich nicht mehr richtig zu Hause.
Und in dem anderen Deutschland war ich noch nicht richtig zu Hause.
Ich habe immer gesagt, meine wahre Identität stelle sich am Grenzübergang her.